Das Fest der Tamale in Mexiko

Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra / Bearbeitung: Juan Lucas Ricciardi

“Lleve sus ricos y deliciosos tamales calientitos!” Vielleicht bedeutet dieser Satz jemandem, der nicht in Mexiko geboren wurde, nichts. Für die Mexikaner jedoch, vor allem für diejenigen, die in Mexiko-Stadt leben, ist dieser Satz quasi eine Melodie, die jeden Morgen und jeden Nachmittag von Millionen mexikanischen Familien begleitet. Der “Tamal” ist ein typisch mexikanisches Gericht. Es gibt Polemiken über dessen wahren Ursprung, aber mit Sicherheit weiß man, dass das Wort “tamal” auf Nahuatl “tamalli” zurückgeht, welches “eingewickelt” bedeutet.

Es gibt unterschiedliche Arten und Weisen Tamale zuzubereiten. Um eine Idee davon zu bekommen, wovon wir gerade reden, falls man sie nicht kennt: die traditionellen Tamale sind eine Art Maismasse gefüllt mit süßen oder salzig-pikanten Soßen, mit Schweine- oder Hühnchenfleisch, eingewickelt und gekocht in einem Blatt der Maispflanze (trocken) oder der Platane.

Tamale isst man in Mexiko normalerweise zum Frühstück oder Abendessen an jedem Tag des Jahres und quasi immer werden sie von Atole, einem dickflüssigen und heißen Getränk unterschiedlicher Geschmacksrichtungen begleitet. Tamale werden einfach oder, für Naschkatzen und Hungrige, mit Brot gegessen, wobei sie in diesem Fall “guajolotas”, d.h. Tamalkuchen oder Tamalsandwich, genannt werden. Der 2. Februar, ein katholisches Fest an welchem das Jesuskind verkleidet und an die Marienerscheinung von Candelaria gedacht wird, könnte in Mexiko auch das Fest der Tamale bezeichnet werden. Denn von einem populären Standpunkt aus sind auch diese Protagonisten des Festes. Um besser zu verstehen, warum die Tamale im Zentrum der Aufmerksamkeit an jenem Tag stehen, muss man eine Besonderheit erklären. Am Tag der Ankunft der Heilligen Drei Könige am 6. Januar ist es Tradition ein Brot namens “Rosca de Reyes” zu essen, in denen kleine, weiße Plastikfiguren des Jesuskinds stecken.

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Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra

Beim Abendessen, wenn die Familie zusammenkommt, um “La Rosca” zu probieren, wählt jede Person am Tisch eine Brotscheibe, die sie essen möchte und wenn sich darin das Jesuskind befindet, muss diejenige die Tamale des 2. Februar darbringen oder kochen bzw. dabei helfen. Nun, bisher haben wir von den Tamalen gesprochen, aber hinter ihnen steht das Leben ihrer Schöpfer, der mutigen “Tamaleros”, Menschen, deren Handwerk das Zubereiten und Verkaufen von Tamalen ist. Die Tamaleros lassen sich in zwei Kategorien einteilen: diejenigen, die die Tamale an einem festen Ort verkaufen, sei es eine Straßenecke oder ein Geschäft, und diejenigen, die sich dank ihres Dreirads von einem Ort zum anderen bewegen und so in die unbekanntesten Ecken zu ihren Kunden vordringen. Der Großteil der Tamaleros aus Mexiko-Stadt ist Straßenverkäufer und illegal. Aber wenn man das Management, die Organisation, die Disziplin und die investierte Arbeit sieht, sind die Geschäfte wahrlich kleine Handwerksbetriebe. Tamalero zu sein ist nicht einfach. Ganz im Gegenteil, wie uns die seit vielen Jahren als Tamalera arbeitende Jazmín Ibarra Martínez erklärt, ist es eine opferreiche und harte Arbeit.

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Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra

Hinter jedem Tamalverkäufer stehen ganze Familien, die Tag und Nacht arbeiten, um den Appetit ihrer Kunden zu befriedigen. Um etwas mehr über dieses Gericht und seine Macher zu erfahren, haben wir hier Jazmín Ibarra Martínez interviewt, als Beispiel für abertausende Tamaleros in Mexiko. Die Familie Sánchez Ibarra verkauft ihre Tamale in einem Wohnviertel von Ecatepec im Bundesstaat Mexiko jeden Morgen von Montag bis Sonntag in einem populären Milchgeschäft (Liconsa). Die Familie von Jazmín verkauft pro Tag ungefähr 80 Tamale. Die traditionellen Geschmacksrichtungen ihrer Tamale sind süß (rote Traube, Ananas, Schokolade, Pfirsich, “cajeta” oder “dulce de leche”), salzig (“rajas” mit Käse, grüne Soße, rote Soße und “mole”) oder spezielle Geschmäcker (“chicharrón” (Schweinehaut), “Portulak”, Bohnen und Käse mit Schinken). Atoles (auf Basis von Maisstärke) werden gereicht mit: Vanille, Schokolade, dickflüssige Schokolade (“champurrado”), “mamey” (eine Frucht), “cajeta” oder Erdbeere.

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Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra

V: Wie und wann haben sie ihr Geschäft angefangen?
Jazmín: Mit dem Geschäft begann meine Schwiegermutter. In dem Moment, als sie mit vier Kindern arbeitslos wurde, begann sie Tamale zuzubereiten und zu verkaufen. Die Kinder machten für einige Jahre etwas anderes, aber im Moment, als auch sie arbeitslos wurden, entschieden sie, dem Beispiel der Mutter zu folgen. Momentan teilen sich meine Schwiegermutter, meine Familie und auch meine Pflegekinder die Milchgeschäfte (Liconsas) des Stadtviertels. Jede Famillie arbeitet für sich. Nur wenn wir sehr viele Aufträge haben oder jemand wegen Krankheit oder aus anderen Gründen nicht arbeiten kann, helfen wir uns gegenseitig. Innerhalb meiner Familie gehe ich meinem Mann Fernando bei den Vorbereitungen zu Hause zur Hand. Nur wenn es große Verkäufe gibt oder in den Ferienzeiten meiner Kinder gehe ich mit ihm zusammen auf den Markt. Gewöhnlich muss ich die Kinder zur Schule bringen und die Hausarbeiten machen, zusätzlich zu den Vorbereitungen für die Tamale und den entsprechenden Einkäufen.

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Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra

V: Um wieviel Uhr fangen sie mit der Arbeit an und worin besteht die Zubereitung der Tamale?
Jazmín: Ich stehe um 6 Uhr morgens auf, um die Kinder für die Schule fertig zu machen. Wenn die Kinder weg sind beginne ich die Vorbereitungen der Tamale und gehe Einkaufen. Zuerst müssen die Blätter eingeweicht werden, da es die einzige Möglichkeit ist, sie zu verarbeiten. Danach müssen die verschiedenen Geschmacksrichtungen der Tamale vorbereitet werden, d.h. die Marmeladen und die Früchte für die süßen Tamale und die verschiedenen Soßen: grün, rot und “mole” (typisch mexikanische Soße auf Basis von Chilis und Schokolade) sowie die unterschiedlichen Füllungen: die “rajas” (Chilistücke), das Fleisch und der Käse in kleinen Stückchen. Der schwierigste und aufwendigste Schritt ist die Zubereitung der Masse. Die Verarbeitung und das Kneten für Tamale geschieht nicht sofort, vor allem, da wir von mindestens acht Kilo Mehl sprechen, die etwa 80 Tamale ergeben. Sobald alles fertig ist, beginnt die richtige Teamarbeit zwischen Kelly, meiner ältesten Tocher, meinem Mann Fernando und mir. Einer der drei verteilt die Masse auf dem Blatt, der nächste die Soßen und das Fleisch und der dritte wickelt die Tamale. Danach warten die sie darauf, gekocht zu werden. Normalerweise steht Fernando um 2 Uhr morgens auf, um sie zu kochen und die “Atoles” der verschiedenen Geschmacksrichtungen vorzubereiten. Danach geht er zum Verkauf und ich stehe auf und beginne alles von Neuem.

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Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra

V: An welchen Tagen verkaufen sie am meisten?
Jazmín: Der beste Tag des Jahres ist der 2. Februar. Da verkaufen wir mehr als 300 Tamale, ausschließlich mit traditionellen Geschmacksrichtungen. Auch im Dezember geht das Geschäft sehr gut für uns. Ein sehr guter Tag für uns ist der Dienstag, weil an jenem Tag haben wir einen Platz in “Central de Abastos”, einem der größten und wichtigsten Märkte von Mexiko-Stadt. Dort verkaufen wir quasi 300 Tamale zusätzlich zu den 80 Tamalen des Milchgeschäfts. Dann, Gott sei Dank, haben wir manchmal Spezialaufträge für besondere Feste. Bei diesen Gelegenheiten fragt man uns normalerweise 100 Tamale mehr, diese mit speziellen Geschmacksrichtungen. Die Kunden bestimmen den Geschmack selbst wenn sie immer auch einige Tamale nach traditionellem Geschmack bestellen.

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Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra

V: Was ist das Geheimnis viele Tamale und Atole zu verkaufen?
Jazmín: Um verkaufen zu können, muss man den Tag mit einem Lächeln auf den Lippen beginnen. Man muss charismatisch sein und die Kunden gut behandeln. Vor allem aber müssen die Tamale und die Atole gut schmecken. Tamale zuzubereiten ist sehr arbeitsaufwendig. Es erscheint einfach, aber das ist es nicht. Um leckere Tamale zu machen, gibt es einige Geheimnisse; in der Art und Weise, wie die Masse zubereitet wird, in den Zutaten, die für den Geschmack genutzt werden und in der Herstellung der Atoles. Am Ende darf man natürlich keine alten Tamale verkaufen, denn wenn diese nicht frisch sind, dann trocknen sie aus. D.h. das Geheimnis ist, wie bei allen Dingen, die in Handarbeit angefertigt werden, alle Schritte gut auszuführen, mit Geduld und Liebe.

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Foto: Kelly Nayeli luna Ibarra

V: Haben sie Urlaub?
Jazmín: Wir arbeiten von Montag bis Sonntag, zudem ohne Arbeitspausen. Urlaub machen wir ab und zu. Dann organisieren wir eine Reise nach Acapulco oder irgendeinen anderen Strand. Wir organsieren uns und fahren. Bei dieser Gelegenheit lassen wir das Geschäft einem der Brüder von Fernando. Während der Weihnachtszeit und der Heiligen Woche, da die Geschäfte gut sind, fahren wir niemals in den Urlaub.

V: Was ist das belastendste oder unangenehmste bei der Zubereitung der Tamale?
Jazmín: Unter den schlimmsten Dingen ist hauptsächlich, dass man mit sehr unhöflichen Leuten streiten muss. Das geht vom unverschämten Kunden, der einem den Tamal entgegenwirft, da ihm der Preis zu hoch scheint, bis zu Verbrechern und Erpressern der lokalen Mafia.

V: Was ist das Beste am Verkauf von Tamalen?
Jazmín: Dass es eine bescheidene Arbeit ist, die aber zur gleichen Zeit befriedigt. Die größte Genugtuung ist, wenn die Leute mir sagen, dass meine Tamale gut sind und sie ihnen schmecken. Die, die uns kritisieren, uns verurteilen und uns abschätzig “Tamaleros” nennen, als ob es nichts Besonderes wäre, wissen nicht, dass das, was ich und meine Familie machen, wir mit Vergnügen und mit Liebe tun und dies uns dabei hilft, dass unsere Tamale gut werden und den Leuten schmecken.

(Übersetzung Alexander Hämmerle)

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