Rhino Season (Iran / Türkei, 2012)

Bahman Ghobadi empfängt die "Concha de Oro" auf dem Festival von San Sebastián (2006)

Der neuste Film des brillianten, kurdisch-iranischen Cineasten Bahman Ghobadi (gelegentlich auch Darsteller), seines Zeichens Erschaffer epochemachender Streifen wie „Zeit der trunkenen Pferde“ und „Schildkröten können fliegen“, hat auch dieses Mal den Fokus auf der Problematik des kurdischen Volkes. „Rhino Season“ erzählt uns die Geschichte des kurdischen Poeten Sadegh Kamangar, welcher aufgrund der Anschuldigung, politische Poesie verfasst zu haben, vom islamistischen Regime inhaftiert wurde. Gleichzeitig sitzt seine Frau Mina für die Unterstützung dieser „sündhaften“ Aktivitäten ebenfalls im Gefängnis. Sie wird aus dem Gefängnis entlassen und erfährt von offizieller Seite, dass ihr Ehemann tot ist. Am Boden zerstört entscheidet sie, zusammen mit ihren Kindern nach Istanbul zu flüchten. Ihr Mann indessen ist nicht tot, sondern bleibt dank der Anstrengungen eines ehemaligen Bediensteten inhaftiert, welcher seinerseits seit der Revolution gegen den Sha in der Gunst des Regimes steht. Nachdem Kamangar schließlich das Gefängnis verlassen kann, begibt er sich auf die Suche nach seiner Familie.

Im Film spielen die Hauptrollen Behrouz Vossoughi, Monica Bellucci und Yilmaz Erdogan mit großartigen Auftritten, in denen sie Charaktere in tiefster Verzweiflung darstellen, verstärkt durch die fabelhafte Fotografie von Touraj Aslani. Jede Einstellung besitzt eine perfekte Harmonie. Weit entfernt von den lebhaften Farben in der Bildgestaltung anderer iranischer Filme, verwendet dieser gedämpfte Töne der Filmographie von Ghobadi, manchmal vielleicht etwas zu düster. Die Musik ist eine zusätzliche Schönheit des Films, welche die Rhythmen der traditionellen persischen Musik beibehält und bis zur Perfektion die Räume des Universums von „Rhino Season“ stimmig macht. Angefüllt mit Symbolismen und durch gelegentliche Zitate des Werks des Poeten, wird aus diesem Film eine Meisterwerk der extremen visuellen und auditiven Schönheit, soweit, dass es – ich wage zu sagen – bis dato der beste Film von Ghobadi ist. Nicht zu verpassen, wenn man Kino von großer Qualität genießen möchte.

(Übersetzung Alexander Hämmerle)


Alle zwei Wochen lässt uns in der Rubrik FOTOGRAMAS die mexikanische Videographin Jazmín Camacho an ihrer großen Leidenschaft – dem Kino – teilhaben und schildert aus der Perspektive des Fachs ihre neuesten Eindrücke aus der internationalen Kinoszene.

Facebook Comments
(Visited 128 times, 1 visits today)
Nicht verpassen

Zwanzig Jahre nach dem Aufruf der Zapatisten

„Und wo steht die Gesellschaft?“ fragte die mexikanische Journalistin Carmen Aristegui zu dem Zeitpunkt, als die Reform des einheimischen Energiesektors im Dezember 2013 verabschiedet wurde, was die „Achsen des Landes verändern wird“, wie die Kommunikationswissenschaftlerin erklärt. Wird es jemanden geben, der wie die EZLN vor zwanzig Jahren, einen Aufruf an das mexikanische Volk richtet? Die EZLN (deutsch Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung) ist eine Gruppe indigener Mexikaner und Mestizen, die am Morgen des ersten Januars 1994 im Bundesstaat Chiapas ihr erstes Kommuniqué bekanntgaben, in welchem sie ihre Opposition gegenüber dem […]

Die Entdeckung der Lo

Manchmal frage ich mich: warum bin ich vor vielen Jahren aus Mexiko weggegangen? Was erreicht man weit entfernt von den eigenen Gewohnheiten und dem Bekannten lebend? Was kann man im Angesicht unsicherer Zukunft oder Arbeit machen? Was ist die geeignete Richtung? Was will ich machen, wenn ich groß bin? Lassen sich Antworten auf diese Fragen finden? Die Nacht, in der ich Lorena kennenlernte, war das erste Mal, dass ich ein Sozialzentrum in Italien betrat. Ich war dorthin gegangen, um das Konzert einer interkulturellen Band aus Italien zu sehen, die aus […]

Das brandneue Testament / Le Tout Nouveau Testament (Frankreich, 2015)

Diese unterhaltsame Komödie hat als Protagonisten Gott höchstpersönlich (Benoît Poelvoord), der, weit davon entfernt voller Liebe sowie Gutem zu sein, kleinlich, faul und nutzlos ist. Ebenfalls gibt es hier Ea (Pili Groyne), die „Tocher Gottes“, die gegen die Grausamkeit des Vaters rebelliert, indem sie allen Menschen das exakte Datum ihres Todes schickt und zusätzlich den „göttlichen Computer“ neustartet und so Gott ins Chaos stürzt. Danach beginnt Ea ihre Suche nach den 6 Aposteln, um das „Baseballteam“ zu vervollständigen. Zwischen garantiert lautem Gelächter entwickelt sich die Geschichte in einer Art und […]